Wir wurden gefragt: Warum sind die Genossenschaften nicht solidarisch und tragen den Mietendeckel mit?
Wir würden uns sehr gerne - wie seit über 130 Jahren - solidarisch zeigen und neue Häuser bauen, damit mehr Menschen GenossenschaftsmitgIieder werden können und in bezahlbare Wohnungen ziehen können - ohne Angst vor Eigenbedarf und Verkauf. Der Mietendeckel hält uns davon ab, denn ohne Rechtssicherheit und ohne Überschüsse können wir nicht mehr investieren – schon gar nicht mehr in den Neubau.
Warum geben die Genossenschaften Geld für Anzeigen und Plakate aus?
Weil wir unsere Unternehmensform und unsere soziale Mietenpolitik retten wollen. Weil wir an die Zukunft denken und mehr Menschen mit neuen Wohnungen genossenschaftliches Wohnen ermöglichen wollen. Weil wir die vielen negativen Konsequenzen eines Mietendeckels aufzeigen wollen, die der Senat verschweigt.
Wieso gefährdet der Mietendeckel die Selbstverwaltung der Genossenschaften?
Der Mietendeckel würde tief in die gesetzlich verbriefte genossenschaftliche Selbstverwaltung und auch in das Genossenschaftsgesetz eingreifen. An Stelle der Genossenschaftsorgane würde der Staat über elementare Belange der Genossenschaft - wie die Gestaltung der Nutzungsentgelte - bestimmen. Durch diesen geplanten Eingriff würden die in den Satzungen verankerten Rechte, Pflichten und Aufgaben maßgeblich ausgehebelt. Das wäre der Einstieg in die staatliche Bevormundung und Vereinnahmung von Genossenschaften - zu Lasten der Eigentümer: der Mitglieder
Was hat der Mietendeckel mit Verstaatlichung zu tun?
Der Mietendeckel ist der Anfang von Verstaatlichung. Er ist ein massiver Eingriff in unsere genossenschaftliche Selbstverwaltung. Statt genossenschaftlicher Organe würde der Staat die Gestaltung unserer Nutzungsentgelte bestimmen und unsere in den Satzungen verankerten Rechte, Pflichten und Aufgaben aushebeln.
Warum könnt ihr nicht neu bauen, der Neubau ist doch ausgenommen?
Es stimmt, die Neubaumieten sind vom Mietendeckel ausgenommen. Aber: Ohne Rechtssicherheit und ohne auskömmliche Ertragssteigerung aus Mieteinnahmen können wir das für den Neubau notwendige Eigenkapital nicht aufbringen, das für solide und sichere Finanzierungen benötigt wird. Da hilft es auch nicht, dass die Zinsen niedrig sind.
Warum ist der Mietendeckel so schlimm, wenn Genossenschaften sowieso nur wenig die Mieten erhöhen?
Weil es die Menge macht. Vorsichtige Schätzungen gehen von Einnahmeverlusten aller Berliner Genossenschaften von mindestens 150 Millionen Euro aus. Das Geld kann dann auch nicht investiert und für soziale Projekte ausgegeben werden. Ohne Einnahmen keine Ausgaben. So einfach ist die Rechnung.
Was hat der Klimaschutz mit dem Mietendeckel zu tun?
Wenn die Einnahmen nicht mehr mit den Kosten Schritt halten können, muss bei den Investitionen gespart werden - auch bei den energetischen Modernisierungen und Klimaschutzprojekten. Auch eine Landesförderung für Klimaschutz könnte diese Ausfälle nicht kompensieren. Wie schützen wir unsere Häuser und Kieze vor der Hitze? Wie schaffen wir durch Begrünung und Bewässerung ein lebenswertes Stadtklima? Mit einem Mietendeckel lässt sich die Zukunft nicht gestalten.
Warum gefährdet der Mietendeckel Arbeitsplätze?
Weniger Investitionen = weniger Aufträge für Handwerk und Bauunternehmen = weniger Umsatz = Jobverluste. Das gilt für unsere Partner, aber auch für uns selbst. Unter dem Strich wären mehrere Tausend Arbeitsplätze in Gefahr.
Warum verschärft der Mietendeckel die Wohnungsnot noch zusätzlich?
Für Wohnungssuchende entsteht eine absurde Situation: Die Mieten sind theoretisch günstig, aber man bekommt dennoch keine Wohnung, denn durch den Mietendeckel entsteht nicht eine neue Wohnung mehr. Es ist so, dass sich Menschen mit hohen und mit niedrigen Einkommen für die gleichen Wohnungen bewerben (Wer wird dann wohl genommen?). Dabei können sich die Gutverdiener noch größere Wohnungen als bisher leisten oder sogar mehrere, z.B. Wochenendpendler. Folge: Wohnungen werden noch knapper. Das sind die besten Voraussetzungen für einen Markt, auf dem Bestechungsgelder für Wohnungen gezahlt werden.
Warum gefährdet der Mietendeckel die Altersvorsorge vieler Menschen?
Jahrelang hat der Staat die Bürger aufgefordert für das Alter vorzusorgen. Die gleichzeitig niedrigen Zinsen machen das eher schwierig. Deshalb haben auch Menschen mit niedrigen und mittleren Einkünften gespart und einen Kredit für einen Wohnungskauf aufgenommen. Sie müssen jetzt zittern. Wenn sie die Wohnung nicht selbst bewohnen und nun für 6 Euro vermieten müssen, deckt die Miete nicht mehr die Kreditraten und sie müssten aus eigener Tasche draufzahlen. Vorbei mit der Altersvorsorge.
Warum stört der Mietendeckel den sozialen Frieden?
Weil er schwere Ungerechtigkeiten schafft. Typisches Beispiel: Familie X ist im Mai 2019 in eine Genossenschaftswohnung gezogen und zahlt seitdem 7,80 Euro/qm. In der Nachbarwohnung lebte 40 Jahre eine Frau, die ins Pflegeheim gezogen ist und deren Miete 4,10 Euro/qm betrug. Ob ordentlich oder sparsam renoviert, darf diese Wohnung an Familie Y nach dem Mietendeckel nur für 4,10 Euro/qm wieder vermietet werden. Wie soll man diesen Unterschied in einem Haus den Mitgliedern erklären? „Familie X hat Pech gehabt, weil sie acht Monate früher eingezogen ist".
Warum gibt es auch bei Genossenschaften Wohnungen mit überdurchschnittlichen QM-Preisen?
Höhere Nutzungsentgelte gibt es bei uns fast ausschließlich im Neubau. Und sie entstehen weil die Baupreise allein in den letzten drei Jahren um 18 Prozent gestiegen sind (Quelle: BKI) und weil sich ein Neubau auch bei Genossenschaften rechnen muss. Es gibt Menschen, die diese teureren Wohnungen mieten. Und das ist auch gut, denn dann können die Bestandsmieten geschützt werden.
Was hat der Mietendeckel mit dem Stadtbild zu tun?
Löhne, Gehälter und vor allem Baupreise (18 % in den letzten Jahren, Quele: BKI) steigen deutlich – gleichzeitig sollen die Nutzungsentgelte durch den Mietendeckel gesetzlich eingefroren werden. Das heißt: Uns wird die Möglichkeit genommen, Rücklagen und Überschüsse für Investitionen im Sinne unserer Mitglieder zu bilden. Im Gegenteil: wenn die Kosten steigen und die Einnahmen real an Wert verlieren, schmilzt der Wert unserer Unternehmen. Erste vorsichtige Schätzungen gehen von Einnahmeverlusten von mindestens 150 Millionen Euro in fünf Jahren aus. Die fehlen uns bei der Pflege unserer Häuser.
Warum trifft der Mietendeckel auch die genossenschaftliche Sozialarbeit?
Kooperationen mit Kitas, Sportvereinen, Organisation von Freizeitaktivitäten, Schul- und Bildungsarbeit, Sponsoring und KuItur-Unterstützung, Stabilisierung von Nachbarschaften, Unterstützung von Senioren - soziales Engagement hat bei uns Genossenschaften Tradition und ist für stabile Kieze von größter Bedeutung. Auch das muss aber alles finanziert werden - was nur auf Grundlage von auskömmlichen Einnahmen geht. Indem der Mietendeckel die Wirtschaftskraft von Genossenschaften untergräbt, untergräbt er auch ihre Möglichkeiten für soziales Engagement.
Warum soll es durch den Mietendeckel keine seniorengerechten Wohnungen mehr geben?
Ohne die notwendigen Mittel müssten wir wichtige Investitionen in die seniorengerechte Herrichtung von Wohnungen streichen oder reduzieren. Das heißt: kein Einbau von Aufzügen, kein Umbau zu barrierearmen oder -freien Bädern, keine seniorenorientierte Gestaltung von Wohnumfeldern, weniger gemeinschaftsstärkende Sozialarbeit. Gerade weil wir wollen, dass bei uns die Menschen so lange wie möglich in ihren Wohnungen bleiben können, wäre gerade das ein großes Problem.
Was meint ihr mit einem Mietenturbo ab 2025?
Der Mietspiegel kann nur auf Grundlage von Mieten ohne staatliche Beeinflussung erstellt werden. Deshalb hebelt der Mietendeckel ihn für viele Jahre aus. Unsere Bewohner sind zwar durch Satzung, Selbstverpflichtung und interne Deckelung geschützt. Aber der Mietspiegel schützt auch alle anderen vor überzogenen Mieterhöhungen. Ohne Mietspiegel könnten die ,,schwarzen Schafe" ihre Mieten nach Gusto drastisch erhöhen, denn ein ehrliches Instrument für Vergleichsmieten gibt es dann nicht mehr.
Wie soll man denn sonst die ,,schwarzen Schafe" bekämpfen?
Deutschland verfügt bereits mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch, dem Strafgesetzbuch und dem Wirtschaftsstrafgesetzbuch über eines der stärksten Mietrechte Europas - es muss nur wirkungsvoll angewandt werden. Mieterinnen und Mieter müssen sich darauf verlassen können, dass Missbräuche und Verstöße geahndet werden - indem sie ihre Rechte kennen, indem der Mietspiegel geschützt und durchgesetzt wird, indem Wohnungs- und Ordnungsämter ihre Arbeit erledigen können, indem Gerichte in überschaubaren Zeiträumen nachvollziehbare Urteile fällen.
Wie sollen die Bezirke das alles bearbeiten?
Das fragen wir uns ehrlich gesagt auch. Schon heute warten wir mehrere Jahre auf Baugenehmigungen. Und auch der Normalbürger muss bei der Terminvergabe für einen neuen Ausweis Geduld aufbringen. Da ist es doch schwer vorstellbar, dass die Bezirke die zusätzliche Arbeit durch das Bürokratie-Monster Mietendeckel in angemessener Zeit bewerkstelligen können. Selbst wenn zusätzliche Stellen geschaffen werden - die müssen in der heutigen Situation auf dem Arbeitsmarkt auch erst einmal besetzt werden.