Das erfolgreiche Kunstfestival aus Singen: Interview mit Axel Nieburg und Jörg Lillich

Axel Nieburg, HEGAU-Vorstand zur ARTE ROMEIAS: „Das war Erleben pur!“ (Teil 2)

Projekte & Aktivitäten · 16.07.2018 · Von Jeremias Heppler (Baugenossenschaft HEGAU eG)

Nach der Arbeit folgen die Tage des Kunstfestivals. In diesem Teil des Interviews berichten Axel Nieburg und Jörg Lillich, wie sie den Start empfunden haben, was das Publikum so besonders gemacht hat und was ihr persönlich schönster Moment war.

Axel Nieburg, HEGAU-Vorstand zur ARTE ROMEIAS: „Das war Erleben pur!“ (Teil 2)
Festival-Athmosphäre in den Gärten.

Wie war die Gefühlslage kurz vor Start?
Axel Nieburg: Ja, das war schon spannend. Auch die Spannung, wie viele Leute kommen überhaupt? Wen haben wir erreicht? Was ist jetzt wirklich die Resonanz? Was sagen die Leute? Ich fand das schon ganz schön von der Bühne aus, wie viele ich sehen konnte. Und dann kam meine Sekretärin Renate Fröhlich vorbei und sagte, dass ich ja zwei Drittel gar nicht gesehen hätte, die anderen passten gar nicht mehr hin. Nach den Reden konnte ich dann schon eine gewisse positive Resonanz wahrnehmen.

Jörg Lillich: Bis zum Vormittag war noch so Last-Minute-Stress. Alles gleichzeitig. Aber mit der Mittagszeit hörte das urplötzlich auf. Da wollte plötzlich keiner mehr was von mir. Und das war so komisch, weil ich gemerkt habe: So, jetzt kann ich nichts mehr machen. Ein total komisches Gefühl. Ich fand das ganz irritierend, das war dann so die Ruhe vor dem Sturm. Und ich war dann auch wirklich aufgeregt! Aber ab der Eröffnungsrede war es dann so, dass ich mich so richtig gefreut hab.

Ein Problem der Kunstszene ist ja oft, dass man sich auch ein Stück weit durch Ausschluss definiert und dadurch oft immer dasselbe Publikum auftaucht. Bei der ARTE ROMEIAS war das anders?
Axel Nieburg: Weil die Verpackung hier eine andere war. Hier waren auch Leute, die ansonsten nie zu einer Vernissage gehen. Und dann sind plötzlich Gespräche zustande gekommen, die sonst nie passieren würden! Ein Schlüssel war auch auf jeden Fall der Garten vor den Häusern, der zur Begegnungsstätte wurde. Die Aufgabe haben wir an die Architekten der Wiederbebauung mit den Praxedis-Gärten abgegeben mit der Vorgabe: ‚Organisiert den mal so, dass es nicht aussieht wie auf einem Feuerwehrfest!‘

Jörg Lillich: Sowohl der Garten, als auch die Wohnungen wurden von den Künstlern ja ganz unterschiedlich genutzt. Manche sind erst kurz vor Start mit bereits fertigen Installationen gekommen, die sie dann da angepasst haben. Andere waren ab dem ersten Tag durchgehend in den Wohnungen, die haben sich ihren Raum regelrecht bewohnt und solange dort gearbeitet, dass sie einen richtigen Bezug hatten. Die haben dann auch regelmäßig im Hof gegrillt.

Axel Nieburg: Da sind auch viele Kontakte unter den Künstlern entstanden. Und die Atmosphäre war etwas, was einfach nicht planbar war. Das war sehr relaxt, das war toll. Eine Mitarbeiterin meinte, dass das im Garten von der Stimmung her ein wenig wie Urlaub war.

Axel Nieburg, HEGAU-Vorstand zur ARTE ROMEIAS: „Das war Erleben pur!“ (Teil 2)
Eindruck von der ARTE ROMEIAS.

Auch wenn es schwer fällt: Was war Ihr persönlicher ARTE ROMEIAS-Moment?
Axel Nieburg: Für den Samstagnachmittag musste eine Bläsergruppe leider absagen, aber wir hatten ja das Theater der HTWG, das den Bus bespielte. Und die fragten dann, ob sie sich im Garten einspielen dürften. Die haben sich dann auf die Palettenmöbel unter den Kirschbaum gesetzt mit vier Akustikgitarren und zwei Sängerinnen und haben sich da eingespielt. Wobei von Einspielen keine Rede sein kann! Es war perfekt! Atmosphärisch war das genial, das war einfach klasse. Wenn wir es hätten planen können, hätten wir es nicht besser machen können. Und solche Dinge haben sich dann einfach ergeben. Oder am Morgen, wenn die Leute im Garten saßen und da frühstückten. Da hatte das dieses spezielle Festivalflair, ganz abseits aller normalen Regeln.

Jörg Lillich: Also es gab natürlich eine Vielzahl von tollen Momenten und spannenden Begegnungen. Aber ich muss hier eine echt merkwürdige Situation nennen, die für mich aber das schönste Zeugnis von Begeisterung war. Ich habe einen Typen erwischt, der einem Kumpel am Abend nach der ARTE ROMEIAS, als die meisten Künstler schon ausgezogen waren, vom Garten aus erklärte, was überall war. ‚Du musst dir vorstellen, da war das und hier war das.‘ Und der andere: ‚Wirklich? Und da kommt man nicht mehr rein?‘ ‚Nein, das war nur an diesem einen Wochenende.‘ ‚Wahnsinn!‘ Das Feedback war nicht für mich gemacht, aber genau deshalb so besonders.

Axel Nieburg: Erwähnenswert sind sicherlich auch die Projekte, die von Flüchtlingen umgesetzt wurden. Das war ein Thema, das für uns von Beginn an sehr wichtig war, weil auch unsere Genossenschaft von Flüchtlingen gegründet wurde und Wohnungen in der Romeiasstraße zuletzt von Flüchtlingen bewohnt waren. Es war außergewöhnlich zu sehen, dass viele Menschen, die vor kurzer Zeit noch mit stetiger Angst konfrontiert waren, heute die Möglichkeit haben, ein solches Projekt aktiv und frei mitzugestalten.

Was ist Ihr Resümee nach der ARTE ROMEIAS?
Axel Nieburg: Mit der Resonanz war nicht zu rechnen. Das habe ich nicht erwartet. Auch nicht, dass es inhaltlich so gut werden würde. Oder auch diese Atmosphäre, die so viele Leute anzog, die ansonsten nicht viel mit Kunst am Hut haben. Über die Tage entwickelte sich eine Eigendynamik des Projektes, die wir gar nicht steuern konnten. Das Projekt hatte sozusagen die Regie übernommen und steuerte nicht nur sich selbst, sondern auch Besucher und Organisatoren. Das war ganz tolles Empfinden, da wurde man reingezogen. Und es hatte eben diesen Reiz des ersten Males. Die Leute sind da hingekommen und hatten keine Erwartungen und dachten dann ‚Wow!‘ Meines Erachtens ist das nicht wiederholbar. Das war was Einzigartiges!

Jörg Lillich: Besonders gut hat mir gefallen, dass so unterschiedliche Leute da waren. Ich hätte beispielsweise nie erwartet, dass so viele ältere Leute kommen. Weil es ja viel Street Art gab oder moderne Medien-Installationen. Aber ich hab wirklich Leute gesehen, die sich richtig das Treppenhaus hoch gekämpft haben. Das fand ich so irre! Kreuz und quer durch alle Alters- und Gesellschaftsschichten. Es war divers, das hat mir am allerbesten gefallen. Und ich finde es gerade toll, dass es vorbei ist, so seltsam das klingt. Das ist so ein Projekt, das für die allermeisten in total positiver Erinnerung ist. Das man so mitnehmen kann. Das so einen Spirit hatte. Auch wenn viele ihre Werke dalassen mussten – aber diesen gewissen Geist konnte jeder für sich einpacken.

Axel Nieburg: Es hatte einen hohen Erlebenswert. Das war Erleben pur. Und vielleicht auch Leben pur!

Axel Nieburg, HEGAU-Vorstand zur ARTE ROMEIAS: „Das war Erleben pur!“ (Teil 2)
Eindruck von der ARTE ROMEIAS.

Teil 1: Die Entstehungsgeschichte der ARTE ROMEIAS

Von der Idee und den "krausen Köpfen": Im ersten Teil erfahren Sie, wie die Idee zur ARTE ROMEIAS entstanden ist:

www.wohnungsbaugenossenschaften.de/blog/arte-romeias-erleben-pur

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Weitere Exklusiv-Informationen: von der Langzeitwirkung des Kunstfestivals über die Zusammenarbeit mit der Stadt bis hin zu den Vertragsstrukturen mit den Künstlern:

Das hat Axel Nieburg noch zu sagen

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